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Der Ballermann ist nicht tot zu kriegen

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Sauftourismus

Die Behörden der Stadt Palma de Mallorca versuchen den Party-Touristen und den Betreibern der einschlägigen Party-Location es so schwer wie möglich zu machen – mit wenig Erfolg bis jetzt

Zunächst zu den harmlosen Anfängen. In den frühen 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts begab es sich am Strand von Palma, dass sich immer mehr Deutsche an der günstig gelegenen Strandbude Balneario 6 zusammenfanden, um gemeinsam zu schwatzen, zu essen und zu trinken. Bald kamen auch die ersten Fußballvereine und Kegelclubs.

Die Strandbude war nichts Besonderes. Ein weiß und orange gefliester Flachbau, wenige Quadratmeter groß. Und wie der Name schon sagt, gab es mehrere davon. Zu Beginn waren es zehn, von Nummer 0 in Can Pastilla bis Nummer 9 in S’Arenal. Alle 300 Meter einer.

Foto: © Mallorca-OK

Aber richtig Spaß machte es den Deutschen nur am Balneario 6. Er lag in der Nähe ihrer Hotels. Dort standen auch die anderen Deutschen, die ihr Bierchen kippten und unter spanischer Sonne so orange anliefen wie der Kiosk-Flachbau.

Die Infrastruktur wuchs. Im Juli 1979 eröffnete die „König Pilsener Stube“ und bot erstmals niederrheinisches Bier vom Fass direkt aus der Heimat. Ein paar Schritte entfernt trug bald die „Schinkenstraße“ Klein-Deutschland in einen ganzen Straßenzug.

Das ist das Geheimnis erfolgreicher Gastronomie: Die anderen sind auch schon alle da. Aus Balneario wurde Ballermann. Das ließ sich leichter aussprechen, gerade zu fortgeschrittener Stunde und bei höherem Alkoholpegel. Witzig war die Verballhornung auch.

Als 1993 die Strandpromenade umgebaut wurde, erhöhte sich die Zahl der Balnearios. Auf Deutsch heißt Balneario „Kurbad“ oder „Strandbad“ und, bezieht sich auf den Strandabschnitt, nicht auf die Strandbude. Fortan gab es 15 Abschnitte.

Zur Verwirrung der Stammgäste kehrte man deren Reihenfolge um. Die Kette startete nun mit Nummer 15 in Can Pastilla und endet mit 1 in S’Arenal. Die Null entfiel. Die alten Kioske wurden abgerissen und durch Neubauten ersetzt. Der Spaß am Balneario 6, der nach dem Umbau dank der umgedrehten Zählung ungefähr noch am selben Ort zu finden war, blieb. Die Deutschen blieben auch. Prosit.

Das Spektakel gewann an Fahrt: Sangria-Eimer, nackte Brüste, riesige Grölhallen wie „Bierkönig“, „Almrausch“ und seit 2000 der „Megapark“. Deutsche Schlagerstars gaben sich am Strand von Palma das Mikro in die Hand. Bernhard Brink und Costa Cordalis in der ersten Generation, Jürgen Drews, der den „Megapark“ zu seiner zweiten Heimat machte. Heute engagieren sich Mickie Krause, Tim Toupet und Ikke Hüftgold als Pflegebeauftragte für deutsches Partyliedgut.

Archivfoto © Mallorca-OK

Die Zone bierseliger Enthemmung breitete sich weiter aus und zieht inzwischen täglich Tausende Besucher an. Vor allem im Juli und August, wenn die deutschen Sportvereine spielfrei haben und ihre Mitglieder mit ulkigen Hemden erwartungsvoll in die Flieger steigen.

Allein in den „Megapark“, diese tosende Kathedrale des Schreckens, passen 4.000 Gäste. Stellen Sie sich vor, um ein Gefühl für die Menge zu bekommen, 100 Reisebusse halten vor dem sandsteinfarbenen Klotz am Strand, um ihre feierwütige Fracht in die größte Freiluftdisko der Insel zu entlassen.

Irrtum Nummer eins: Hinter dem Ballermann stecken nur Deutsche. Mitnichten. Das „Köpi“ gründete der Mallorquiner Antonio Ferrer; ihm und seinen Söhnen gehörte zu besten Zeiten ein Dutzend Lokale. Der „Megapark“ wurde im Jahr 2000 von der mallorquinischen Grupo Cursach Ocio eröffnet.

Irrtum Nummer zwei: Es geht drunter und drüber wie nirgendwo sonst. Ganz gewiss gibt es Peinlichkeiten und Ausschweifungen, die Saison für Saison lustvoll von Privatsendern und Boulevardblättern an die staunenden Daheimgebliebenen in Bottrop oder Hamburg -Blankenese übermittelt werden (und manchmal vielleicht auch eigens provoziert wurden).

Mallorcas Kampf gegen den Partytourismus

Der Ballermann ändert sich, die Regeln werden schärfer, der Müll ist ein Problem, Jürgen Drews singt nicht mehr, in der Schinkenstraße werden vegane Döner verlangt. Aber tot ist der Ballermann noch lange nicht.

Und eines sei auch notiert: Sein größter Platzvorteil und Ursprung, die Platja de Palma direkt vor der Tür, ist ein wirklich schöner Strand. Viereinhalb Kilometer lang und sehr gepflegt. Das Klima der Bucht ist das mildeste auf Mallorca. Es lohnt sich hinzufahren. Sie könnten anschließend daheim berichten: Ich war am Ballermann. Zum Baden. Das wird Ihre Zuhörer verblüffen.

Der Text ist ein Kapitel aus dem gerade erschienenen Buch „Mallorca. Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten“ von Frank Rumpf, Klartext-Verlag.

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